Abfent, Abfent, die Hütte brennt…

Kaum ein alle Jahre wiederkehrendes Ereignis, wie es Weihnachten ist, wirft einen derart lähmenden Schatten über Millionen von Menschen. Nicht Ostern, Pfingsten, ja nicht einmal der eigene Geburtstag löst den kollektiven Stöhner derart wirksam aus wie Weihnachten: “Mein Gott, wie doch die Zeit vergeht…!”

Schon bevölkern wieder die in Nikoläuse umgeschmolzenen Rest-Osterhasen aus dem Frühjahr 2010 die Auslagen und einschlägigen Krabbelkörbe der Supermärkte, und sie signalisieren die beginnende kollektive Lähmung, die das ganze Volk befallen möchte. Es weihnachtet! Wer diesem Bazillus erliegt, verliert schnell den Kontakt zum Gegenwärtigen, zum Hier und Jetzt. Da kommen sie angerauscht, die Verhaltensnormen, die Erfordernisse gesellschaftlich geforderten Handelns überragen zunehmend alles andere, Kinder, Enkel, Nichten und Neffen brauchen Geschenke, die zwar unserem schmalen Geldbeutel entsprechen, aber vor allem eine Marktlücke treffen müssen, damit nicht wieder einmal der Weg zum Umtausch der Geschenke ansteht.

Wen besucht man wann und wo? Oder kann man nicht doch noch schnell einen Last-Minute-Flug nach Antalya ergattern? Welche Weihnachtskarten soll man aussuchen? Soll man den Adventskranz selber binden oder einen kaufen? Ist die diesjährige Brandversicherung fürs Haus schon bezahlt? Falls nicht, kann man das aus dem Weihnachtsbudget vielleicht noch abzweigen oder nicht?

Das wirkt alles ein wenig überzeichnet, oder? Die Wahrheit ist jedoch, dass wir fast alle in diesen Sog hineingeraten, die gewohnte Irritation erleben, jedenfalls in hohem Maße handlungsunfähig werden, was unsere tatsächlichen Erfordernisse als Opfer einer Zwangsversteigerung betrifft. Wir müssen uns im klaren darüber sein, dass es in unserem Leben tatsächlich nur den gegenwärteigen Augenblick gibt, die vermeintlich frohe Erwartung des Festes jedoch eine kollektive Gefangennahme der letzten geistigen Ressourcen signalisiert, die wir eigentlich jetzt besonders dringend brauchen.

Eine ideale Zeit übrigens, um Gerichtsbeschlüsse abzufassen, einfach weil die Gefahr, dass die Schuldner der Nation gegen die Beschlüsse vorgehen, in diesen Wochen vor Weihnachten geradezu gegen Null tendiert, zumindest bei denjenigen Betroffenen, die der Vorweihnachtslähmung schon zum Opfer gefallen sind.

Natürlich habe ich nichts dagegen, wenn wir Weihnachten als Gewohnheit unserer Kultur feiern, aber gerade wir in der Zwangsversteigerung stehenden Menschen sollten uns davon nicht soweit einfangen lassen, dass wir handlungsunfähig werden. Ganz im Gegenteil sollten wir die Lähmung der anderen dazu nutzen, um jetzt besonders wirksam an der Lösung unserer Probleme zu arbeiten. Denn auch bei den Gerichten und den Banken ticken jetzt die Uhren mitunter merklich langsamer. Nutzen wir doch die Zeit, um unseren Kenntnisstand zu verbessern, nutzen wir die Zeit, um uns kompetent beraten zu lassen, damit wir eine gute Grundlage zur Verteidigung unseres Eigentums aufbauen können. Stellen wir doch jetzt die brennenden Fragen und denken alles ordentlich zu Ende, damit wir nicht länger wie das Kaninchen vor dem Schlangennest erstarrt verharren, bis der”erlösende Biss” endlich erfolgt!

Wenn man die kürzlich veröffentlichte Statistik, dass 10% der deutschen Haushalte restlos überschuldet sind, und die Medienberichte darüber anschaut, kann einem ganz schlecht werden über die Botschaft, die damit verknüpft wird: Nie ist die Rede von den Schuldnerrechten, immer wird nur gesagt, man müsse eben seine Schulden letztlich bezahlen, in drastischen Fernsehberichten steht der Schuldner immer als Looser da, als Opfer mitunter, aber jedenfalls als ein wehrtloses Etwas am unteren Ende der sozialen Leiter. Und wenn man dann mit den Redaktionen spricht, die solche Sendungen zu verantworten haben und fragt, warum nicht auch veröffentlicht wird, dass die Schuldner auch Rechte haben und diese wahrnehmen können – auch sehr erfolgreich -, dann bekommt man schließlich als Antwort, dass die Werbekunden der Sender nicht verärgert werden dürfen und dass man sich so etwas wie eine objektive Berichterstattung in diesem Bereich einfach nicht leisten könne.

Kürzlich fiel in einem Gespräch die Frage: Was würde denn geschehen, wenn sich alle Schuldner aller zulässigen vom Gesetz vorgesehenen Rechtsmittel bedienen würden, um im für das Zivilrecht geltenden Antragsverfahren in die eigenen Zwangsversteigerungsverfahren wirksam einzugreifen? Die Antwort eines Richters im Ruhestand war es, dass dann das gesamte Vollstreckungsrecht in der Durchführung zusammenbrechen würde und aufgrund der Verfahrensverlängerung nicht mehr so durchführbar wäre, dass die wirtschaftlichen Belange der Gläubiger noch irgendwie hinreichend berücksichtigt werden könnten.

Wie gut wäre das doch! Nicht etwa um die Gläubiger zu belasten und an der Nase herumzuführen, sondern dadurch wäre die Zwangsversteigerung vielleicht nicht mehr so sehr attraktiv und der Weg zu wirtschaftlich sinnvollen Lösungen wäre vielleicht gerade für die Banken um einiges attraktiver als die gewohnte Reißleine ZV zum frühestmöglichen Zeitpunkt.  Aber ich fange schon wieder an mich zu wiederholen. Also seien wir wachsam, mehr denn je, und hoch aktiv. Lassen wir uns bloß nicht einlullen von dem vorweihnachtlichen Zuckerersatzstoff, der wie jedes Jahr auch jetzt wieder über uns hereinbricht, als gefälschtes emotionales Überdruckventil für ansonsten tatsächliche aber unterdrückte Emotionen.

Übrigens: Die in der Überschrift gewählte Bezeichnung “Abfent” stammt von einem meiner liebsten Kabarettisten, dem Gerhard Polt, aus seiner gleichnahmigen CD “Abfent, Abfent…”. Mit einem Zitat daraus möchte ich den heutigen Beitrag beenden, weil er so sehr wahr ist:

 ”Aber was ist schon ein Jahr? Gerade noch war der Nikolaus da mit seinem Gabensack, da steht schon wieder der Gerichtsvollzieher vor der Tür”

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