Aufruf wider den richterlichen Sündenfall

Ein Merkmal fortgeschrittener menschlicher Zivilisation ist es, dass anstelle bloßer roher Gewalttat des Stärkeren sich irgendwann so etwas wie Rechtsprechung entwickelt hat, in Abhängigkeit vom jeweiligen Menschenbild und der insgesamten auch religiösen Weltsicht der entsprechenden Kultur.

Der Weg über eine dem Gerechtigkeitsempfinden der Volksseele entsprechende neutrale Handhabung des Rechtssystems jedoch gleicht oft einer mit Schlaglöchern übersäten Piste und stellt eine enorme Herausforderung für diejenigen Menschen dar, welche als Treuhänder vor Ort das gebotene hohe Niveau menschlich bewussten Handelns verwirklichen sollen. Nicht jeder ist dem gewachsen, ja sogar ganze Gerichte geraten mitunter in eine gewohnheitsmäßige Schieflage und sind z.B. den wirtschaftlich Starken ohne Rechtsgrund mehr zugetan als es das Gesetz eigentlich erlaubt.

Eine Rechtsprechung, welche sich insofern mutwillig vom erkennbaren Willen des Gesetzgebers entfernt, differenzierte Verfahrensregeln willkürlich zusammenschnallt und bündelt mit dem auch noch erklärten Ziel, eine schwächere Partei (z.B. den Schuldner in einem Zwangsversteigerungsverfahren) schlicht und ergreifend um jeden Preis platt machen zu dürfen und seine berechtigten Belange vom Tisch zu wischen (wesentlich nobler kann man das leider wirklich nicht mehr ausdrücken…), setzt ihre Daseinsberechtigung aufs Spiel – nein- sie hat diese vielmehr bereits weitgehend verloren.

Gerade im Zwangsvollstreckungsverfahren, wo der Schuldner gemäß den über Bildungseinrichtungen und Medien vermittelten emotionalen Maßstäben unserer Gesellschaft entehrt, geteert und gefedert, in die Wälder gejagt und Schnee, Eis und den Wölfen überlassen wird, hat der Gesetzgeber den „staatlichen Hoheitsakt“ zwischen Gläubiger und Schuldner gestellt, vor allem zum Schutze des Letzteren, der ja in der Futterkette dieser ach so gloriösen Wirtschaftsordnung das allerletzte Glied darstellt, bevor diese Menschen nebst Familien schließlich planmäßig buchstäblich und palliativ diskret „kompostiert“ werden.

Das Vollstreckungsgericht ist ausdrücklich gerade nicht dazu da, als bloßer Handlanger des durch und durch räuberischen Finanzsystems den Gläubigern die Drecksarbeit abzunehmen und dem perfiden „Geschäftsmodell“ Zwangsversteigerung den Anschein des Rechts zu verleihen, wie das mitunter auch offen zugegeben bzw. sogar propagiert wird. Das Vollstreckungsgericht soll vielmehr – ansonsten bräuchte man es nämlich nicht – das einstige Faustrecht der vermeintlich stärkeren Parteien, die sich stets im Recht wähnen, einzudämmen und zumindest den Versuch zu machen, das, was sich hinter den Chiffren „Menschenrechte“ und „Grundrechte“ verbirgt, einigermaßen zu wahren, damit das „Ungeheuer Geld“ nicht diejenigen, denen es angeblich einmal dienen sollte, zeitnah vollends von der Erde tilgt.

Natürlich gibt es Entwicklungen im Leben, wo Pläne nicht mehr funktionieren und die Pfandobjekte letztlich liquidiert werden müssen, schließlich haben die finanziellen Vertragspartner das seinerzeit vereinbart. Bedenkt man jedoch, in wie vielen Fällen das Problem „gerichtsbekannt“ durch die Banken hausgemacht ist und die Schuldner mit purer Absicht und einer absolut perfiden Vernichtungsmentalität vorsätzlich „in die Tonne getreten“ werden, kann einem der Appetit auf dieses System komplett vergehen. Es ist schon klar, warum vom Vollstreckungsgericht materiell-rechtliche Belange nicht berücksichtigt werden dürfen – denn sonst käme es nur noch zu einem geringen Bruchteil überhaupt zu Zwangsversteigerungen ob der Ungeheuerlichkeiten auf Seiten wirklich sehr vieler Gläubiger (die Finanzämter nicht ausgenommen…).

Diesen grundlegenden und durchaus minimalen vom Gesetzgeber gewollten Schuldnerschutz sollte man nicht achtlos und schon gar nicht von vorneherein verwerfen. Dies trifft besonders dann zu, wenn Menschen durch die Umstände der Zwangsvollstreckung an den Rand ihrer inneren Existenz getrieben werden, teilweise schweren körperlichen Erkrankungen anheimfallen, chronisch krank werden und bleiben oder sich am Ende über einen Infarkt verabschieden oder unmittelbar selbst Hand an sich legen, weil jegliches Sinn-Empfinden für ein Weiterleben verlorengegangen ist.

Nun gibt es bei diesem Thema leider immer wieder Rechtspfleger und Rechtspflegerinnen, welche sich mit einer unerschütterlichen Hybris zu Herren über Leben und Tod emporschwingen und aus was für Gründen auch immer (Kostenvermeidung, Verfahrensbeschleunigung etc.) die Beweiserhebung über Einschaltung eines medizinischen Sachverständigen verweigern, entgegen allen maßgeblichen obergerichtlichen Beschlüssen und gerade den neueren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und schlichtweg glauben, selbst hinreichend befähigt zu sein, medizinisch relevante Grundsatzentscheidungen treffen zu können und gar zu dürfen – was aber nicht der Fall ist.

Nehmen wir doch mal an, so ein Betroffener, dem jeglicher Schutz durch eine Rechtspflegerin kühn und grundsätzlich verweigert wird, kommt im weiteren Verfahren tatsächlich ums Leben. Was passiert denn dann mit der Rechtspflegerin? Wird sie damit durchkommen, dass hier wohl „Bruder Zufall“ am Werke war? Wird sie dann sagen dürfen, dass sowas ja jedermann passieren kann und die von ihr durchgeführte Zwangsversteigerung gewiss nichts damit zu tun haben kann? Oder greift neben der sicher anzunehmenden Gewissenslast § 48 BeamtStG oder § 75 BBG, wo es um die Regresshaftung des Verursachers gegenüber dem Staat geht, wenn dieser dann zu Recht zur Kasse gebeten wird? Und was, wenn ihr Namen dann die Titelseiten der Zeitungen schmückt?

Wir wollen kein Gericht als Feind sehen müssen, sondern als eine hochanständige Institution, die es stets wert ist, dass man sich voller Vertrauen an sie wenden kann, die keine Euthanasie im Hinterkopf pflegt und die Unkenntnis der Schwächeren nicht zu deren Nachteil ausnutzt, die sich strikt weigert, Rechtsvorschriften vorsätzlich falsch anzuwenden oder auch nur gezielt zum Nachteil der Menschen, die sich auch absolut standhaft weigert, Recht gar zu beugen, sei es aus Bequemlichkeit oder was für anderen Gründen auch immer, wir wollen ein Gericht, das die Rechtsprechung als heilende und insofern heilige Handlung vor dem inneren Auge behält, selbst wenn im Äußeren oftmals in Schutt und Asche gegraben werden muss. Wir appellieren an die Rechtsredlichkeit all dieser Menschen, die diese schwierige Aufgabe tagtäglich erfüllen müssen, und dass sie sich nicht missbrauchen lassen, weder von Menschen noch von Denksystemen, die den Menschen lediglich die Rolle nachwachsender Rohstoffe zubilligen.

Nur Mut, es kann gelingen, täglich neu und immer wieder…

Mit den besten Wünschen

Euer Admin

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