Bietgrenzen – RTL verbreitet fehlerhafte Gesetzesinhalte

In der Sendung “30 Minuten Deutschland” vom 04.10.2010, bei der es wieder einmal um die armen wie immer “wehrlosen” Opfer der Zwangsversteigerung geht, hat RTL eine möglichwerweise folgenschwere uralte und offenbar nicht auszurottende Fehlinformation erneut in Deutschland verbreitet.

Es handelt sich um das hartnäckige Gerücht, dass der gesetzliche Schutz vor Verschleuderung so aussähe, dass im ersten Versteigerungstermin 70% des Verkehrswerts erreicht werden müsse, damit ein zuschlagsfähiges Gebot entsteht, im zweiten Termin dann bei 50% des Verkehrswerts Zuschlag erteilt werden könne.

Das ist falsch und ich fürchte, dass viele gläubige Betroffene, die sich das wenigstens einmalige Lesen des öffentlich unter “http://dejure.org” verfügbaren Zwangsversteigerungsgesetzes verkniffen haben, ein böses Erwachen erleben werden, wenn im ersten Termin ihre Hütte zu 50% des Verkehrswertes weg ist.

Richtig ist, dass der gesetzlich garantierte Verschleuderungsschutz für den Schuldner von vorneherein 50% beträgt, und das so lange, bis in irgendeinem Zwangsversteigerungstermin  ein erstes zugelassenes und damit rechtswirksames Gebot abgegeben wird.

Ab dann gibt es keine Bietgrenzen mehr.

Die 70%-Bietgrenze gibt es zwar auch, jedoch diese gilt nur auf Antrag eines Nachranggläubigers, der auch Berechtigter sein muss, und auch nur für den Fall, dass das im Termin erreichte Meistgebot zwischen 50% und 70% des Verkehrswertes liegt und dazu der Nachranggläubiger bei der Verteilung des Versteigerungserlöses einen Verlust hinnehmen müsste, also geringer befriedigt würde als wenn die 70%-Grenze erreicht worden wäre. Auch diese Bietgrenze fällt, sobald ein zulässiges Gebot abgegeben wird.

In der Konsequenz nochmal:

  • 5/10 = Verschleuderungsschutz für den Schuldner (von Amts wegen)
  • 7/10 =  Schutz für Nachranggläubiger (nur auf Antrag von diesen)
  • sobald ein zulässiges und rechtswirksames Gebot innerhalb der Bietgrenzen abgegeben wurde, gelten im Folgetermin keinerlei Bietgrenzen mehr.

Im Zwangsversteigerungsgesetz findet man diese Informationen in den §§ 74a und 85a ZVG
Übrigens: Wer den Film von RTL vom 04.10.2010 nachträglich anschauen will (er ist ja ansonsten nicht schlecht gemacht, nur das mit dem Zelt ist sicher gelogen…), kann ihn sich über folgenden Link noch eine kurze Weile anschauen:

http://rtl-now.rtl.de/30minuten.php?film_id=31583&player=1&season=0&na=1 oder, falls das nicht funktionieren sollte, unter der webadresse: www.sendungverpasst.de selber suchen.

Dass der Sender wieder mal konsequent verschweigt, dass die Schuldner im Zwangsversteigerungsverfahren zahlreiche Rechte besitzen und wahrnehmen sollten, dass sie sich selbst zu Spezialisten machen sollten und über Anträge dem Gericht die Chance geben, auch für sie etwas zu tun, ist mittlerweile nur noch peinlich – oder wissen die das selbst nicht???

So, das wars erstmal für heute….

Euer/Ihr ADMIN

PS: Mittlerweile hat RTL auf meine Email reagiert und mitgeteilt, dass die Produktionsfirma TVN GROUP HOLDING GmbH & Co. KG in Köln dafür verantwortlich wäre und RTL diese Sendung nur aufgrund staatlicher Auflagen hat ausstrahlen müssen, jedoch selbst keine redaktionelle Verantwortung übernommen hat.

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