Verkehrswert und Verschleuderung

Neue Initiative des BZVI auf breiter Front will die generelle Verschleuderung abschaffen, die durch die systembedingte doppelte sog. Marktanpassung heute bundesweit als Fakt betrachtet werden muss.

Derzeit gehen viele Mitglieder mit entsprechenden Anträgen dagegen vor, dass ihre Immobilien von Grund auf verschleudert werden. Hintergrund hierfür ist folgender Tatbestand:

Der Verkehrswert einer Immobilie wird im Falle der Zwangsversteigerung durch einen vom Vollstreckungsgericht bestellten Gutachter festgestellt und danach vom Gericht durch Beschluss festgelegt. Dabei soll dieser einen Wert ermitteln, der am Markt zum Zeitpunkt des Bewertungsstichtages zu erzielen ist. Ganz unabhängig davon, wie der Verkehrswert (z.B. Mix aus Sachwert und Ertragswert) von den einzelnen Gutachtern letztlich ermittelt wird, die meisten rechnen einen sog. “Marktanpassungsabschlag” ein, welcher von 5-50% reichen kann und den Wert der Immobilie nach allen anderen Abschlägen wie Reperaturstau, Alterswert etc. in den Keller drückt.

Im Versteigerungstermin jedoch wird diese Marktanpassung faktisch ein zweites Mal vollzogen, und zwar einfach dadurch, dass die Bieter den maximal erzielbaren Preis am Markt durch ihre Gebote bestimmen. Dieses Phänomen geschieht unabhängig davon, wie hoch der Verkehrswert ist, welcher der Versteigerung zugrunde liegt. Die Statistik der letzten Jahre zeigt, dass Erlöse zwischen grob 40% und 80% des zugrunde gelegten Verkehrswertes erzielt werden, durchschnittlich etwa 65%.

Wir erleben hier also eine doppelte Marktanpassung, einmal durch die Vorweg-Abwertung des Gutachters, und dann durch die tatsächliche Erzielung des möglichen Meistgebots.

Im Verbindung mit Art. 14 (1) Grundgesetz (Eigentumsgarantie) sieht der Gesetzgeber für die Zwangsversteigerung vor, dass Verschleuderung verboten ist, was sich darin ausdrückt, dass in einem ersten Versteigerungstermin kein Zuschlag erteilt werden darf, sofern das Meistgebot 50% des Verkehrswertes nicht erreicht (auf Antrag eines berechtigten Nachranggläubigers sogar 70%). Insofern ist die Feststellung des Verkehrswertes in ihrer Bedeutung vor allem darin zu sehen, dass diese Bietgrenzen durch ihn definiert werden, also der Verkehrswert den gesetzlichen Schutz vor Verschleuderung der Höhe nach festlegt.

Die eben beschriebene verfahrensbedingte Marktanpassung durch die Höhe des erzielten Meistgebots in Verbindung mit der vorher bereits vollzogenen Marktanpassung im Rahmen der Verkehrswertfestsetzung führt also im Ergebnis zu einem doppelten Marktanpassungsabschlag, wodurch der gesetzliche Verschleuderungsschutz im Ergebnis unterlaufen wird. Ja, man kann pauschal sagen, dass durch diese Umstände eine generelle Verschleuderung der Zwangsversteigerungsobjekte aus Systemgründen gegeben ist.

Dies zu ändern, haben wir uns auf den Weg gemacht, sicher ein steiniger Weg wie immer. Aber so, wie es uns gelungen ist, der Notwendigkeit der Rechtsmittelbelehrung auch im Zivilrecht durch unseren BGH-Beschluss den Weg zu bereiten, kann es sein, dass uns auch diese Aufgabe gelingen wird. Die Folge wäre zumindest eine bundesweite Anhebung der Verkehrswerte mit dem Ergebnis einer höheren Gläubigerbefriedigung und damit Abbau der Restschulden der Versteigerten. Der volkswirtschaftliche wie auch individuelle Schaden könnte so auf breiter Basis bundesweit verringert werden – und, seien wir mal ehrlich, die Banken bekämen mehr Geld in die Kassen und müssten nicht mit ihren Zaubertricks die Verluste so sehr unter den Teppich kehren.

Man wird sehen und ich werde berichten, was in dieser Angelegenheit erreicht werden kann.

30.07.2010, Ihr/Euer Admin

Landgericht Freiburg zeigt “Heuschrecke” die Rote Karte

Mit Beschluss vom 29.06.2010 hat das Landgericht Freiburg auf die von einem Mitglied des BZVI eingelegte Beschwerde reagiert und dieser stattgegeben mit der Rechtsfolge, dass eine sog. “Heuschrecke”, also eine Zweckgesellschaft ohne Banklizenz, aus der sog. Vollstreckbaren Ausfertigung einer ihr abgetretenen Grundschuldbestellungsurkunde keine Zwangsversteigerung betreiben darf.

Hintergrund war eine sogenannte Klauselerinnerung nach § 732 ZPO, mit der unser Mitglied eben diese vermeintliche Vollstreckbarkeit angegriffen hatte und vom Amtsgericht zurückgewiesen worden war. Mittlerweile jedoch hatte der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung vom 30.03.2010 eben dies in einer überraschend neuen Weise gewürdigt, indem er fordert, dass eine Abtretung von Forderungen und deren Sicherheiten (Grundpfandrechte) erst dann als zur Vollstreckung wirksam angenommen werden kann, wenn der neue Forderungsinhaber nachweislich in den sog. Sicherungsvertrag eingetreten ist. Dies hätte zukünftig entweder der ausfertigende Notar und/oder das Vollstreckungsgericht zu prüfen, bevor die Zwangsversteigerung angeordnet werden darf.

Das Landgericht Freiburg hat sich dem voll umfänglich angeschlossen.

Diese BGH-Entscheidung (Aktenzeichen: XI ZR 200/09)  hat riesige Diskussionen ausgelöst, aus informierten Kreisen höre ich, dass mittlerweile eine oder mehrere Standesvertretungen deutscher Notare dagegen Sturm laufen. Angeblich halten viele den Mangel für nachträglich heilbar, wobei der BGH sich hier jedoch auch eigentlich klar äußert. Alle diese Verfahren sind derzeit also angreifbar und müssen nach meiner Einschätzung aufgehoben und können erst bei vorliegendem Nachweis des Eintritts des “Heuschrecken”-Gläubigers in den Sicherungsvertrag neu begonnen werden. Es wird abzuwarten sein, wie die Rechtsprechung mit dieser Problematik im Einzelfall tatsächlich umgehen wird. Möglicherweise wird der BGH aber auch hier noch einmal differenzierter nachlegen, wie er es auch bei anderen brisanten Themen in der Vergangenheit getan hat.

Eines ist jedoch sicher: Automatisch wird hier nichts gehen. Wenn also jemand meint, bei seiner Versteigerung läge eine solche Konstellation vor, muss er auf jeden Fall eine Klauselerinnerung durchführen (keine Anwaltspflicht), und zwar bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk das Notariat liegt, welches die ursprüngliche Grundschuldbestellungsurkunde und demzufolge auch deren vollstreckbare Ausfertigung hergestellt hat.

Scheitert er hiermit trotz der derzeit klaren Rechtslage, bleibt ihm immer noch die Klauselgegenklage (§ 768 ZPO), die er aber nur mit einem (entsprechend fundiert kundigen) Anwalt führen kann. Es ist dringend notwendig, dass alle vergleichbar Betroffenen diesen Weg gehen. Ein mitunter enormer Zeitgewinn im eigenen Verfahren führt zur Entspannung und eröffnet neue Wege zu positiveren Lösungswegen, die aber dann bitte auch zügig erarbeitet und beschritten werden müssen.

Glück auf!

26.07.2010,  Ihr/Euer Admin