Alle Anträge sind rechtsmissbräuchlich…!

Ein neuer Trend macht sich immer deutlicher bemerkbar an deutschen Vollstreckungsgerichten. Schuldneranträge unmittelbar vor dem und zum Versteigerungstermine werden pauschal zurückgewiesen mit der alleinigen Begründung, sie seien allesamt rechtsmissbräuchlich, weil sie auf Verzögerung und Verhinderung des Verfahren abzielten.

Ja, es ist schon erstaunlich, was da mitunter passiert, und der juristische Mode-Trend geht wieder mal vom Südwesten unserer Repubklik aus. Dort heißt es beispielsweise in einer Begründung zu einem Zuschlagsbeschluss: „…Dies führt zur gerichtlichen Überzeugung, dass zwar mit rechtlichen Instrumenten (Verfahrensanträgen), jedoch mit deren rechtsmissbräuchlichem Gebrauch eine Vollstreckungsmaßnahme verhindert werden soll. Die im Versteigerungstermin vom xx.xx.2014 gestellten Anträge stellen hier nur ein Glied einer Kette von Verfahrensanträgen dar, die jeder für sich nicht sein gesetzliches Ziel, sondern das Ziel der Zuschlagsverhinderung verfolgen.“ … „…sie waren daher als rechtsmissbräuchlich einzustufen und als unzulässig zurückzuweisen.“

Da wedelt doch der „Schwanz mit dem Hund“ in finaler Konsequenz. Brechen wir doch noch einmal die Ausgangslage auf die Grundlagen herunter: Da ist eine Gläubigerin, deren einziges Motiv ist, die Immobilie des Schuldners zu versteigern, ob mit viel oder wenig Erlös, ist dabei oftmals den Gläubigern höchst egal, erleiden sie doch in der Regel niemals einen tatsächlichen Verlust (weil, wie heute fast jeder schon einmal gehört hat, die meisten Banken in Sünde gefallen sind durch die bloße Verwendung von Buchgeld, Giralgeld, welches nicht etwa aus dem Kapital der Spareinlagen bei der Bank, oder auch nicht aus Kapital stammt, welches die Bank beispielsweise von anderen Banken oder der EZB selbst geliehen hat, sondern nur durch eine bloße Buchung aus dem NICHTS entsteht und am Ende wieder im NICHTS verschwindet). Dagegen steht das ebenso berechtigte alleinige Interesse des Schuldners, sein Eigentum und seinen Lebensmittelpunkt zu retten, sprich, die Zwangsversteigerung zu verhindern. Der Staat ist nach dem Willen des Gesetzgebers zwischen die beiden Kontrahenden in Form des Vollstreckungsgerichts dazwischen geschaltet worden, mit dem klar umrissenen Auftrag, in einem staatlich hoheitlichen Verfahren und Vollstreckungsakt den Entzug des Eigentums durchzuführen. Mit diesem Auftrag ist aber auch der Anspruch auf eine gleichmäßige Berücksichtigung und Abwägung der Interessen sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner verbunden, die Gewährleistung auf ein faires Verfahren, auf Einhaltung der Grundrechte und auch der sorgfältigen Beachtung der vielschichtig ineinandergreifenden Verfahrensrechte sowie als nahezu oberstes Gebot die Gewährleistung des sogenannten „rechtlichen Gehörs“, wie es in Artikel 103 Abs. 1 Grundgesetz fundiert ist.

Und jetzt verfallen immer mehr Rechtspfleger darauf, die originären und in jeder Hinsicht völlig legitimen Motive und Bemühungen der Schuldner als generell rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig zu bezeichnen. Und wie wunderbar praktisch: Als Nebeneffekt muss man sich ja dann auch gar nicht mehr mit den Inhalten der Anträge, also mit dem entsprechenden Sachvortrag selbst, überhaupt auseinandersetzen.

Der generellen Ignoranz sind so Tür und Tor geöffnet, die generelle Verweigerung rechtlichen Gehörs wird so zur vermeintlich legitimierten Regel. Es reicht also zukünftig eine bloße Vermutung des Rechtspflegers oder der Rechtspflegerin, die gestellten Anträge könnten ja auf eine Verfahrensverzögerung oder eine Beendigung des Verfahrens zugunsten der Schuldner abzielen, um diesen jegliche Zulässigkeit absprechen zu dürfen.

Und wie schon einmal berichtet (hier), bleibt selbst der Antrag auf Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO nicht verschont von diesem neuen „Fallbeil“, obschon er als einzigen gesetzlich gewollten Zweck eben diese Verfahrensverzögerung bzw. -aufhebung verwirklichen soll. Verkehrte Welt…

Natürlich werden die Gerichte mitunter mit Anträgen bedacht, die entweder dort nicht hin gehören, weil das Vollstreckungsgericht aufgrund seiner rechtlichen „Inselsituation“ beispielsweise nicht befähigt ist, materiell-rechtliche Sachverhalte mit einzubeziehen, ja selbst erkennbar massiven Betrug seitens der Gläubiger darf und muss der Rechtspfleger erst nach Vorliegen eines rechtskräftigen Beschlusses oder Urteils des Prozessgerichts nebst dessen Instanzenweg berücksichtigen. Auch kann und darf er sich nicht mit fundamentalen Rechtsfragen auseinandersetzen, die beispielsweise die grundlegende Frage nach der Wirksamkeit von Gesetzen im immer noch besetzten Deutschland berühren, er darf nur begrenzt ungeklärte verfassungsrechtliche Fragestellungen zum entscheidenden Thema machen oder gar politische Entscheidungen treffen – so nötig dies alles von der Sache her auch sein mag und sich gerade im Zwangsvollstreckungsakt so folgenschwer auswirkt.

Der Schuldner als zunächst rechtlich unerfahrener Bürger, der erstmalig in eine Vollstreckungssituation hineingeraten ist, hat natürlich keine rechtliche Kompetenz, kennt sich selbst überhaupt nicht aus, und er greift daher auf allerlei Helfer zurück (kein Anwaltszwang vor dem Rechtspfleger), die nur allzu oft von generell profunder Rechtsunkenntnis erfüllt sind und daher blind in die Menge schießen, das gewollte Ziel oft um Meilen verfehlend. Leider sind auch die meisten Rechtsanwälte aufgrund mangelnder ständiger Rechtspraxis in diesem Bereich ebenso nicht imstande, die vorhandenen Möglichkeiten im Vollstreckungsverfahren differenziert und für ihre Mandanten voll wirksam auszuschöpfen und berühren daher bloß die „Außenhaut“ des zu erschließenden Rechtsraumes, mitunter bedauerlicher Weise auch begleitet von eigenen Rechtsirrtümern.

So schmerzlich es auch sein mag für einen Rechtspfleger, sich immer wieder solche hilflosen, auch von emotioneller Überladung und sachlicher Rechtsunkenntnis belasteten Anträge anschauen und mitunter wirklich leidend ertragen zu müssen, derartige „Entgleisungen“ wie es hier mit Nachdruck anzuprangern ist, darf er sich wirklich nicht erlauben. Und schon garnicht darf er die Motivation des gepeinigten Schuldners, der in Angst und Schrecken nach allem greift, was sein Haus denn noch retten könnte, als unzulässig abqualifizieren. Denn damit verfehlt er den ihm übertragenen Auftrag als staatlich eingesetzter Beschützer auch und insbesondere der grundsätzlich hilflosen Schuldner, und jeder, der diese neue „Masche“ anwendet, sollte seine Berufsauffassung neu überdenken. Denn das geht entschieden zu weit und beschädigt das Ansehen des Gerichts in gröblicher Weise.

Wir als Beobachter der Szene hoffen natürlich, dass es sich bei dem beschriebenen Phänomen bislang denn doch nur um Einzelfälle handelt, denn gleichwohl gibt es auch in unserer Wahrnehmung zahlreiche überaus redliche Rechtspfleger und Rechtspflegerinnen, die mit Maß und Ziel sowie mit einem Höchstmaß an Korrektheit und Fairness die ihnen übertragene Aufgabe bestmöglich zu erfüllen versuchen. Im heute wachen Bewusstsein, dass viele Gläubiger maximalen „Dreck am Stecken“ haben, sind diese mutigen RechtspflegerInnen und RichterInnen Bestandteil eines immer stärker werdenden Bollwerks gegen die „Vernichtungsmaschinerie“ unseres Finanzsystems, die Menschen, Familien und ganze soziale Strukturen gedankenlos in den Dreck treten.

Diesen tapferen Gerichtsmenschen rufe ich zu: „Weiter so, helft bitte mit, dass es irgenwann gelingen möge, das unmenschliche Treiben zu beenden, das unserem Volk und Land die Wurzeln ausreißt, die Blätter verbrennt und in sinnloser anonymer Zerstörungswut die wenigen noch vorhandenen Blüten abhackt.

Einen schönen Frühling wünscht euch euer

Blog-Administrator

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